„Kann ich nicht!“ Sven staunt die Kletterwand an. Er trägt zwar seinen Hüftgurt und wurde bereits von Gabi eingebunden, aber die Wand ist vier Mal so hoch, wie Sven groß ist. Sven heißt in Wirklichkeit anders, aber genau das hat er vor rund 5 Jahren gesagt. Damals war er bereit sich 20 cm vom Boden weg zu trauen. Heute knotet er sich selbst ins Seil ein, findet den Einstieg in die Kletterroute und steigt unter Aufsicht des Sicherungspartners hoch – bis ganz nach oben.
Patrick schaut sich seine Route genau an, überdenkt die letzten Erfahrungen und erinnert sich: Es sind die braunen Griffe, die ich gut schaffe. Und ich habe keine Angst mehr, ich kann das. Aber wenn ich früher aufhören will, darf ich das auch. Dann mache ich Pause und schaue gerne zu. Z. B. Nora, die mit Elan und Selbstbewusstsein klettert. Die Wand gehört ihr und die Jungs schauen ihr anerkennend zu und loben sie.
Das fördert Selbstbewusstsein und Zutrauen in die eigenen Stärken, auch mit Grenzerfahrungen. Klettern ist ein Sport, der Kraft, Koordination und Konzentrationsfähigkeit fördert. Er fordert den Körper ganzheitlich.
Kraftdosierung sowie Grob- und Feinmotorik müssen Menschen mit Behinderung sich immer wieder aufs Neue erarbeiten. Und der Ehrgeiz dazu wächst!
Als die Kletterhalle des DAV in Aschaffenburg eröffnet wurde, wurden auch Sportler mit Beeinträchtigungen willkommen geheißen. Mitarbeiter des Bereichs „Freizeit Begegnung Bildung“ der Lebenshilfe Aschaffenburg e. V. wurden aktiv und fanden im Vorstand des DAV Aschaffenburg offene Türen für eine inklusive Klettergruppe, bei der auch Geschwisterkinder willkommen sind.
Der Erfolg gibt Lebenshilfe und Alpenverein recht. Die Teilnehmerzahl wuchs von anfänglich drei auf 13 zuzüglich der stolzen Eltern an. Und sie ziehen die Neugier der anderen Besucher des Kletterzentrums Aschaffenburg auf sich. Obendrein nahmen drei Kletterer am Para-Climbing-Wettbewerb in Karlsruhe teil, ein Wettkampf mit bombastisch guter Stimmung.
Auch bei ihren Familien wächst die Begeisterung für diesen Sport. Sie freuen sich auf eine gemeinsame alpine Freizeit im Allgäu, im JDAV-Fortbildungshaus Bad Hindelang.
Die DAV-Trainer, zunächst Annika Reuter und später Bernd Herold, leiten an, geben Hilfestellung und fördern jeden nach seinen Möglichkeiten. Dazu kommen erfahrene Sicherer, die das Seil immer straff halten.
Die Koordination lag über die Jahre bei der Lebenshilfe, inzwischen ist die Gruppe unter dem Namen „Be Happy“ Bestandteil des Programms des DAV Aschaffenburg.
Nach fünf Jahren habe ich meinen Auftrag seitens der Lebenshilfe Aschaffenburg e V. erfüllt, den Aufbau und die Starthilfen geleistet und übergebe das „Staffelholz“ an Dana Reisenauer und Martina Czinki. Sie führen das Projekt weiter. Die Gruppe ist im DAV angekommen, Inklusion im besten Sinne und vorbildlich für andere Vereine.
Auch weiterhin steht die Lebenshilfe Aschaffenburg e. V. für Freizeitassistenz, Beratung und Organisation von individuellen Hilfeleistungen zur Verfügung.
Selma Mattern